Eine unerwartete Lektion im Phantom of the Opera


Manchmal lernt man eine Lektion im Leben, wenn man es am wenigsten erwartet. Mir erging es zuletzt so mit meiner Familie in London im Musical „Phantom of the Opera“.

Das Musical war einer der Höhepunkte unserer Reise über ein verlängertes Wochenende nach London. In der ersten Stunde nach Beginn der Vorstellung blieb der Sitz neben mir leer. Ich freute mich schon über den unverhofft gewonnenen Platz. Dann setzte sich doch ein Mann im Dunkeln neben mich, der es sich schnell bequem machte. Er streckte sich gemütlich aus und beanspruchte die Armlehne zwischen uns wie selbstverständlich. Trotz des tollen Musicals – und ich bin eigentlich kein ausgesprochener Fan von Musicals – sank meine Laune. Wenig später hörte ich dann auch noch ein vernehmliches Schnarchen aus seiner Richtung und sah, wie sein Kopf auf seine Brust gesunken war. Mehrfach wurde er wach, um dann wieder laut schnarchend einzuschlafen.

Mittlerweile war ich wirklich etwas ärgerlich geworden, sein Verhalten war irgendwie rücksichtslos. Es war so einer dieser typischen Momente im Leben – eigentlich keine große Sache, aber …

Dann ging das Licht an – Pause. Zum ersten Mal sah ich meinen Sitznachbarn, der mich sofort sehr freundlich ansprach. Er hoffe, er habe mich nicht gestört, weil er gemerkt habe, dass er manchmal eingeschlafen sei, bemerkte er. Er erzählte, dass er aus Kuwait komme und seit fast einem halben Jahr in England in einer Krebsbehandlung sei. Heute habe er seine letzte Behandlung erhalten und war daher leider zu spät in die Vorstellung gekommen.

Als Belohnung hatte er sich selbst, falls er diesen Punkt erreichen würde, schon vor längerer Zeit die Musical-Vorstellung gegönnt. Bedauerlicherweise sei der Krebs aber bisher nicht besiegt. Er fragte dann noch nach meiner Familie und mir und was wir in London machten. Er war ein freundlicher älterer Herr, dem man im Gespräch schnell seine Einsamkeit anmerkte. Wir sprachen noch etwa fünf Minuten miteinander.

Natürlich war mein Ärger verflogen und ich war nur froh, dass ich ihn nicht mit meinem Ärger konfrontiert hatte. Wie peinlich und unangemessen wäre das in diesem Fall gewesen.

Manchmal sind rücksichtslose Menschen einfach nur rücksichtslos. Manchmal steckt aber wie hier auch eine Geschichte dahinter. Die erfährt man aber nur, wenn man erst einmal zuhört und nicht gleich das Schlimmste annimmt. Meine persönliche Lektion aus diesem Abend: Mal wieder selbst mehr nach der Geschichte hinter der Geschichte fragen, als vorschnell auf Autopilot zu stellen und sich über Kleinigkeiten zu ärgern.

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